Blick durch grüne Bäume auf den Haupteingang des Palatinum Mutterstadt

Dritte Verlegung

Dritte Verlegung von Stolpersteinen und einer Stolperschwelle: Erinnerung an NS-Opfer und an die zerstörte Synagoge

Am 22. September war der Künstler Gunter Demnig wieder zu Gast in Mutterstadt und verlegte 15 Stolpersteine sowie eine sogenannte „Stolperschwelle“.
Am Morgen begrüßte Bürgermeister Thorsten Leva ihn und alle, die zahlreich gekommen waren, um den Opfern zu gedenken und dem Künstler bei der Arbeit zuzusehen. Stolpersteine werden aus Spendengeldern finanziert und so dankte Herr Leva allen Stifterinnen und Stiftern. Es handelte sich um die dritte Verlegung zum Gedenken an NS-Opfer in Mutterstadt. Die erste Stolperstein-Verlegung durch den Künstler fand am 7. Februar 2022 statt, die zweite, in Eigenregie mit Einverständnis des Künstlers, am 8. Mai 2023 (siehe Homepage der Gemeinde). Insgesamt liegen in Mutterstadt nun 62 Gedenksteine und die Stolperschwelle. Weitere Verlegungen wird es geben, viele Sponsoren sind schon vorgemerkt.

Als Erstes setzte Gunter Demnig die „Stolperschwelle“ an den Standort der ehemaligen Synagoge in der Oggersheimer Straße. Die Messingtafel ist wie die Stolpersteine 10 cm hoch, aber breiter, so dass auf ihr zu lesen ist: „1838 HIER ERBAUT – DIE SYNAGOGE – 9./10. NOVEMBER 1938 – IN BRAND GESTECKT – ZERSTÖRT – DIE BRANDRUINE WURDE ABGERISSEN.“ Die Schwelle stiftete die Gemeinde. Volker Schläfer, Ortschronist und Mitglied des Historischen Vereins, Ortsgruppe Mutterstadt, beschrieb den Anwesenden die Geschichte des Gebäudes und seine Ausstattung.

Danach wurden zwei Stolpersteine in Erinnerung an die Geschwister Richard und Blandina Loeb, die in der Unteren Kirchstraße wohnten, gesetzt. Beide flohen nach Amsterdam und wurden von dort deportiert: Blandina kam zuerst in das Internierungslager Westerbork und 1942 nach Auschwitz, Richard kam ebenfalls nach Westerbork und wurde 1944 in Bergen-Belsen ermordet.

Sieben Stolpersteine kamen vor ein Haus in der Oggersheimer Straße. Hier wohnte die Familie Oehlbert und eine Nachfahrin, Laura Kipp aus Alzey, war gekommen, um dabei zu sein. Auch Renate Rosenau von der Arbeitsgruppe „Juden im Alzeyer Land“, Mitglied des Sprecherrates der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz, tätig auch im Altertumsverein Alzey und Umgebung e.V., war anwesend. Beide wurden von der Gemeinde-Archivarin Christina Wolf begrüßt und vorgestellt. 1912 kaufte Rudolf Oehlbert aus Dannstadt das Haus in der Oggersheimer Straße, das war kurz nach seiner Heirat mit Emma geb. Schwarz aus Gauersheim. Sie bekamen fünf Töchter: Liselotte (Jg. 1914), Irma (Jg. 1915), Ruth (Jg. 1916), Marianne (Jg. 1919) und Thea (Jg. 1920). Rudolf Oehlbert starb 1933 eines natürlichen Todes, Liselotte, Marianne und Thea flohen in die Schweiz und dann nach England. Alle drei überlebten den Holocaust. Irma, Thea und die Mutter wurden 1940 nach Gurs deportiert. Von hier aus kamen Irma und Thea nach Auschwitz, die Mutter wurde in Masseube befreit, starb aber kurz nach Ende des Krieges. Frau Rosenau berichtete im Anschluss noch von Heinrich Schwarz, dem Bruder von Emma Oehlbert, der von Alzey nach Mutterstadt zu seiner Schwester floh, hier inhaftiert wurde und 1940 im KZ Buchenwald starb.

Eine Abbildung von Volker Schläfer bei seiner Rede

Friedrich Börstler war Schulhausmeister und lebte mit seiner Familie in einer Dienstwohnung der Gemeinde in der Fußgönheimer Straße. Volker Schläfer informierte über sein Schicksal, während Gunter Demnig den Stein einsetzte: Als SPD-Mitglied wurde Börstler schon 1933 in Schutzhaft genommen, auch weil er bei einer Schulveranstaltung den Saal verließ, kurz bevor das Horst-Wessel-Lied gesungen wurde. Er wurde entlassen, als Waagmeister wiedereingestellt, das Gehalt wurde ihm gekürzt und bis Ende des Krieges machten ihm die Nazis das Leben sehr schwer.

Vor der ehemaligen Bäckerei Maas in der Fußgönheimer Straße stellte schließlich Büroleiter Gunter Holzwarth das Schicksal der jüdischen Bäckers-Familie vor. Isidor und Klara Maas wurden im Oktober 1940 nach Gurs deportiert und starben in Auschwitz. Ihre zwei Söhne, ebenfalls Bäcker, konnten vorher fliehen. Die über 90 Jahre alte Frau Irmgard Metzger aus Mutterstadt erzählte, dass sie als Kind nach der Schule oft beim „Maase-Bäcker“ vorbeiging, um Matzen zu kaufen.

Die letzten drei Stolpersteine kamen in die Neustadter Straße vor das Anwesen der Familie Eppler. Sie wurden zu den bereits im Februar 2022 verlegten Steinen hinzugefügt: Jakob, Paula und Kurt Eppler gelang - zusammen mit Heinz Eppler, Kurts Bruder - 1938 die Flucht in die USA.

Zum Schluss bedankte sich Volker Schläfer bei allen Anwesenden, bei den Stifterinnen und Stiftern herzlich für ihr Kommen und ihre Spenden.



Adresse
Opfer
Opferdaten
Schicksal
Spender
Oggersheimer
Straße 22
Stolperschwelle
am Standort
der ehemaligen Synagoge

1838 erbaut -
9./10. November 1938
Die Synagoge
wurde in Brand gesteckt,
zerstört,
die Brandruine abgerissen
Gemeinde Mutterstadt
Untere
Kirchstraße 2
Blandina Loeb
Richard Loeb

1878-1942
1874-1944
Deportation
Deportation
Heide Kegel
Heide Kegel
Oggersheimer
Straße 33
Rudolf Oehlbert
Emma Oehlbert
Liselotte Oehlbert
Irma Oehlbert 
Ruth Oehlbert
Marianne Oehlbert
Thea Oehlbert

1873-1933
1880-1946
1914-1998
1915-1943
1916-1997
1919-1996
1920-1943
gedemütigt/entrechtet
Deportation
Flucht
Deportation
Flucht
Flucht
Deportation
Winfried Szkutnik
Elena und Patrick Schowalter
anonym
Yves und Nora Nax
Evangelische Freikirche e. V.
Evangelische Freikirche e. V.
Irmgard Metzger
Fußgönheimer
Straße 17
Friedrich Börstler
1882-1959Haft
Familie Vakalakis
Fußgönheimer
Straße 9
Isidor Maas

Klara Maas

1876-1944

1877-1944
Deportation

Deportation
Historischer Verein e. V.,
Ortsgruppe Mutterstadt
Gunther Holzwarth
Neustadter
Straße 15
Jakob Eppler
Paula Eppler
Kurt Eppler

1896-1975
1907-1985
1926-1996
Flucht
Flucht
Flucht
Leo Sebastian
Bettina und Hartmut Seitz
Bettina und Hartmut Seitz

Stolperschwelle

Oggersheimer Straße 22

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Untere Kirchstraße 2

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Schicksal

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